Research

Die hier vorliegende Studie hat zum Ziel, das Thema des gemeinsamen Wohnens im Wohnungsverbund, insbesondere die neue Wohnungstype „Clusterwohnung“, die sich seit ca. einem Jahrzehnt herausbildet und die zeitgenössische Weiterentwicklung der Wohngemeinschaft darstellt, im Wiener Diskurs sicht- und diskutierbar zu machen. 

In der historischen Betrachtung des Themas werden Aspekte herausgearbeitet, die bis heute Relevanz in der Diskussion zu gemeinschaftlichen Wohnformen haben und einen Rahmen zur Bewertung von zeitgenössischen Wohntypen aufspannen. Dabei geht es insbesondere (1) um die Relation zwischen Individualeinheit als Rückzugsraum und der Gemeinschaft sowie den kollektiv genutzten Räumen; (2) um die Frage nach der „Selbstbestimmung“ und allfälliger „Fremdbestimmung“ im (gemeinschaftlichen) Wohnen und damit verbunden (3) um Fragen der Governance im Wohnungsbau. (4) Weiters geht es um die Identifizierung einzelner mit der Gruppe und der Wohntype verbundenen Prozesse. (5) Und es wird die Frage nach allfälligen emanzipatorischen Modellen in Bezug auf Haus- und Reproduktionsarbeit gestellt. 

Die Studie stellt sieben internationale Beispiele von Clusterwohnungen sieben Projekten aus Wien gegenüber. Dabei sind die internationalen Beispiele (aus Deutschland und der Schweiz) durchgehend idealtypische Realisierungen der Clusterwohnung mit jeweils mehreren kompakten Individualeinheiten inklusive Sanitäreinheiten, die direkt an Gemeinschaftsflächen angeschlossen sind. Die Wiener Beispiele stellen Annäherungen an das Thema der Clusterwohnung dar. Die Grundrisse der exemplarischen Projekte wurden allesamt nachgezeichnet und anhand der Zeichnungen ausgewertet. Flankiert wird die Auswertung mit einer Diskussion der Projekte. 

Diagramm: interne Organisation Gemeinschaft, Internationale Beispiele
Diagramm: interne Organisation Gemeinschaft, Wiener Beispiele

Damit wurde eine erste Grundlage zur Vergleichbarkeit unterschiedlicher Lösungen erstellt, die in der Studie anschließend diskutiert wird. Dabei wird festgestellt, dass sich Clusterwohnungen dazu eignen, zeitgenössische Lebensrealitäten jenseits der Kernfamilie widerzuspiegeln und unter anderem Alleinerziehenden, Singles und älteren Personen einen adäquaten Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Weiters wird festgestellt, dass die Clusterwohnungen allenfalls ökonomischer mit Wohninfrastrukturen und Wohnungsstandards umgehen können und dem reduzierten individuellen Rückzugsraum in der gemeinschaftlichen, intensiven Nutzung der Gemeinschaftsflächen ein großzügiges Raumangebot gegenüberstellen. In Summe sind Clusterwohnungen effizienter im Umgang mit der Ressource Raum, als dies die Bereitstellung derzeit gängiger SMART-Wohnungen ermöglicht. Auch wird festgestellt, dass sich der Wohnungscluster eignet, das derzeit gängige Wohnungsangebot innerhalb einer Immobilie sinnvoll zu ergänzen. In der wiederholten Realisierung von Wohnungsclustern (oftmals der gleichen Baugenossenschaften) kann auch festgehalten werden, dass es für eine derartige Wohnform einen Markt gibt. Nicht geklärt konnten allfällig notwendige Prozessbegleitungen werden, die für eine nachhaltige Gruppenbildung innerhalb der Cluster sinnvoll erscheinen. 

Ergänzt wird die Studie mit einer Reihe von Interviews mit Personen, die sich direkt und indirekt mit dem Thema der Clusterwohnung in Wien auseinandersetzen. Zum einen sind dies Personen, die in die Entwicklung und Planung von Clusterwohnungsprojekten oder Wohngemeinschaften involviert sind, zum anderen wurden mit Personen Gespräche geführt, die mit partizipatorischen Prozessen und Gruppenbildungsprozessen in gemeinschaftlichen Wohnprojekten Erfahrung haben. 

Abschließend werden Clusterwohnprojekte in einer Zusammenschau diskutiert und daraus Aspekte zur Förderung von Clusterwohnungen im geförderten Wohnungsbau in Wien erarbeitet. Dabei werden die derzeit für Clusterwohnungen einschränkende Förderlandschaft, das bestehende Mietrecht und die sich daraus resultierende Problematik in Bezug auf die Bildung einer Gruppe thematisiert. Es wird auch auf die fehlenden Anreize für Bauträger, den Brandschutz, die statistische Nicht-Erfassung von potenziellen Nutzer/innengruppen sowie das Wissen der Trägervereine in Wien hingewiesen. 

Auch wenn die Thesen der Studie, dass neue gemeinschaftliche Wohnformen in einem Wohnungsverbund (1) geeignet sein können, heterogenen Bewohner/innengruppen adäquaten Wohnraum zur Verfügung zu stellen und (2) damit auf neuzeitliche Biografien, Lebens- und Arbeitsverhältnisse eingehen, und dass (3) derartige Wohntypen sich insbesondere durch Synergien im Zusammenleben auszeichnen, (4) eine ressourcenschonende und ökonomisch effiziente Type darstellen sowie in diesem Sinne eine Weiterentwicklung der Anstrengungen rund um das SMART-Wohnbauprogramm der Stadt Wien sind, kann die Studie jedoch nur ein erster Anstoß für die konkrete Weiterentwicklung und Vertiefung des Forschungsgegenstandes „Clusterwohnung“ sein. 

Eine derartige Vertiefung des Themas umfasst experimentelle Realisierungen als auch weiterführende Forschungen. Aus der Arbeit an der Studie haben sich folgende sich teilweise überschneidende Themenkomplexe herauskristallisiert: (1) eine statistische Sichtbarmachung der potenziellen Benutzer/innengruppe derartiger Wohntypen; (2) eine vertiefende Diskussion über allfällige Ausstattungsmerkmale der Individualeinheiten sowie der Gemeinschaftsflächen; (3) Fragen zur Kompaktheit und Größe der Individualeinheiten sowie der Gruppengröße; (4) Fragen zu Formen von partizipativen Prozessen als Begleitung der Gruppenbildung; (5) Fragen zur Anpassung und Gestaltung zukünftiger Förderinstrumente.

  • 2019
    im Auftrag von:
    IBA_Wien 2022 – Neues soziales Wohnen
    MA 50 – Wohnbauforschung